Lage und Historie

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Vor dem Bau der Bautzner Chaussee, 1786 fertiggestellt, befand sich auf dem Grundstück der heutigen Praxis eine »Kugelgießerei«, das Eisen-, Schmelz- und Gußwerk des Dresdner Hauptzeughauses. Nach Beendigung des siebenjährigen Krieges verlor es an Bedeutung und wurde bis auf noch brauchbare Teile abgebrochen.

Vom Landgut zur Praxis –
Die wechselvolle Geschichte des Marcolinischen Vorwerks

Marcolinis landwirtschaftliches Mustergut

Villa um 1920 (Sammlung C. Peter Mallwitz)
Villa um 1920 (Sammlung C. Peter Mallwitz)

Der aus Fano am adriatischen Meer stammende Silberpage Camillo Graf Marcolini, der bis zum Königlichen Kabinettsminister (1809) aufstieg, beauftragte 1785 seinen Vertrauten Johann Christian Drobisch hier ein Mustergut, einschließlich Vorwerk mit Wirtschaftshof, der Meierei, errichten zu lassen. Dessen wichtigster Teil, die Meierei an der heutigen Bautzner Straße Nr. 96 mit Wirtschaftsgebäude und den beiden Seitengebäuden Scheune und Remise bildeten die Grundlage für die spätere Villenanlage.

Hochrelief Franz Pettrich 1795: »Auf einer Korngarbe sitzender Schnitter mit seinem Hund«, Foto um 1930 (Sammlung C. Peter Mallwitz)
Hochrelief Franz Pettrich 1795: »Auf einer Korngarbe sitzender Schnitter mit seinem Hund«, Foto um 1930 (Sammlung C. Peter Mallwitz)

Unter wechselndem Besitz Umgestaltung zur Villenanlage

1828 ersteigerte der »Hofküchengeschirrschreiber« Scheppach das Grundstück. Das heutige Baudenkmal, das wesentlich von Georg Hermann Nicolai im Neorenaissancestil geprägt wurde, entstand 1854 durch Erweiterungsbauten. Unter Eduard Schumann (Controlleur der Armenversicherungsbehörde) wurden an das vorhandene Wirtschaftsgebäude ein Treppenhaus und die beiden Seitenrisalite an der Südseite errichtet. Aus dem Bauernhof entstand ein gepflegter Vorgarten mit Torhäusern und Brunnenanlage.

Die bisher straßenseitig angeordneten Plastiken »Schnitter mit Hund« und »Kuh mit Kälbchen« von Franz Pettrich (1795) wurden um 1854 hofseitig in die Ziergiebel der Torhäuser umgesetzt. Die elbseitige Parkanlage mit großer Freitreppe erhielt eine moderne Gartengestaltung. Nach 1859 kam die Villa in den Besitz des Kaufmanns Adolf Wasilieff Ernst Rothermund(t).

Ein Neubau, das Schweizerhaus entstand. Weitere bauliche Veränderungen folgten mit dem Einbau des Wintergartens, eines Windfanges am Treppenhaus und neuen Innenausstattungen. Der Kaufmann Albin Junghanns ließ nach 1930 die Villa modernisieren und links ein Küchengebäude anbauen. Dieses wurde durch den Dresdner Baumeister Otto Haubold sensibel dem Charakter des Gebäudes angepasst.

Feston und Löwenköpfe 1992 (Sammlung C. Peter Mallwitz)
Feston und Löwenköpfe 1992 (Sammlung C. Peter Mallwitz)

Aus Marcolinis Flur entstand das Preußische Viertel

Die Bedeutung dieses Vorwerkes steht neben der Entwicklung der Verkehrswege auch im direkten Zusammenhang mit der Entstehung des Preußischen Viertels. Mit der Parzellierung der ehemals Marcolinischen, später Scheppachschen Flur nach 1828, entstand zunächst die elbseitige Villenbebauung. Im Ortsgesetz, einem Bauregulativ von 1900, wurde u. a. festgehalten: »Als Vordergebäude dürfen auf der Baufläche 19 nur in edlem Stile gehaltene Villen, auf den übrigen Bauflächen auch einfachere Villen oder Landhäuser errichtet werden.«

Bestimmte Teile der Fläche wurden schon damals von der Bebauung ausgeschlossen, um die Elbauenlandschaft zu schützen.


Kriegsschäden und Verfall zu DDR-Zeiten

Am 13./14. Februar 1945 entstanden durch Brandbomben beträchtliche Schäden am Baukörper. In den siebziger Jahren verfiel die Bausubstanz zunehmend. Großes Engagement von Denkmalpflegern führte 1980 zur Unterschutzstellung der Villenanlage.

Plastik Zinkguss Detail 1990 (Sammlung C. Peter Mallwitz)
Plastik Zinkguss Detail 1990 (Sammlung C. Peter Mallwitz)

Denkmalgerechte Sanierung und moderne Nutzung nach 1990

Nach 1990 ergab sich die Möglichkeit, eine denkmalgerechte Sanierung mit den Anforderungen einer modernen Nutzung zur verbinden. Ein ambulantes Herzzentrum, Bildungsstätte und Gastronomie zogen ein. Dieses Vorhaben profitieren von einer präzisen denkmalpflegerischen Zielstellung und von seiten des Eigentümers vom Verständnis für eine weitgehenden originalgetreue Wiederherstellung in Semperscher Bautradition. Einheimischer Restauratoren, Bildhauer und Kunsthandwerker, darunter Vincenz Wanitzschke, waren daran beteiligt.

Die Stuckplastik im Ziergiebel des linken Torhauses war aus unverständlichen Gründen nach 1945 beseitigt worden. Doch es gelang, das Werk 1992 nach einem historischen Fotos neu entstehen zu lassen. Die am rechten Torhaus befindliche Plastik »Schnitter mit Hund« war bereits 1983 restauriert worden.

Die üppigen Stuckplastiken im antiken Giebelbereich an der Südseite des Hauptgebäudes wiesen keine wesentlichen Schäden auf. Ergänzungen machten sich am Zahnschnittfries erforderlich. Unterhalb der Attika an der Südseite konnten die Stuckplastiken von 1854 wieder ergänzt und konserviert werden. Infolge Spritzwasser war das Mörtelgemisch durch das naheliegende Pultdach schwer zerstört. Diese Stuckarbeiten »Löwenköpfe« und »Fruchtgehänge« sind in historischer Fertigungstechnik neu entstanden. Der Konsolenschmuck ist vom Innenraum durch ein Lichtband, welches die neue Dachkonstruktion durchzieht, zu sehen.

Die Zinkplastiken im Treppenhaus trugen seit 1880 eine mit Stadtgas gespeiste Lichtanlage. Kriegseinwirkung führte daran zu schweren Deformationen. Auf elektrischer Basis konnte die Anlage wiederhergestellt werden.

Bei der Instandsetzung der Mittelachse der Villa konnte die Gußeisenkonstruktion von 1880 nicht mehr erhalten werden. Durch eine Neugestaltung des Wintergartens im Obergeschoß wurde eine verträgliche Außenansicht zur Parkseite geschaffen. Bei Farbuntersuchungen im Treppenhaus wurden den Raum gliedernde Ornamentmuster freigelegt. Ebenso konnte die Originalfarbigkeit der korinthischen Säulenanlage im Erdgeschoß nach Befunden wiederhergestellt werden.

Die heutige Gestaltung der Außenanlage geht auf eine Zeichnung von 1936 zurück. Unter dem Vorgarten wurde eine für die moderne Nutzung unerlässliche Tiefgarage durch geschickte Begrünung wenig störend integriert.

Seit 2005 werden alle erhaltenen Gebäude des Marcolinischen Besitzes auf dem Grundstück Bautzner Straße 96 durch die Inhaber und Partner der »Marcolini Praxis« genutzt, die dem wundervollen Flair dieses geschichtsträchtigen Grundstücks durch einen besonderen medizinisch-ästhetischen Anspruch eng verbunden sind.

Autor: Dipl.-Ing. Christian Peter Mallwitz, Ehrenamtlich Beauftragter für Denkmalpflege in Dresden


Kurzabriss der Baugeschichte

Töchterheim Fridericiana 1925 (Sammlung C. Peter Mallwitz)
Töchterheim Fridericiana 1925 (Sammlung C. Peter Mallwitz)
1764Eisen-, Schmelz- und Gusswerk des Dresdner Hauptzeughauses
1783 – 86Neuanlage Bautzner Straße
1787Marcolinis Vorwerk mit Meierei
1828Verkauf durch Peter Graf Marcolini an den Holzhändler Scheppach
1856Villa Schumann, …
1859Rothermundt, …
1931Junghanns
1993Ärztehaus, Schulungszentrum und Gastronomie
2005Marcolini Praxis

Camillo Graf Marcolini

1739geboren in Fano/Italien
1749Aspirantur auf eine Silberpagenanstellung am Dresdner Hof
1752im Silberpagenbuch als »Conte« vermerkt
1763Kammerpage als ständiger Begleiter des noch unmündigen Kurfürsten Friedrich August III.
1767Kammerherr
1768Verleihung des Grafentitels
1769Oberhofmeister
1772Wirklich Geheimer Rat
1774Direktor der Porzellanmanufaktur Meißen und Steingutfabrik Hubertusburg
ab 1774Besitz des schlossartigen Palais in der Friedrichstadt (heutiges Krankenhaus)
1778Oberkammerherr
1780Generaldirektor der Kunstakademie und Kurfürstlichen Sammlungen
heiratet die Baronesse Maria Anna O’Kelly in Mariaschein – 4 Kinder
1799Oberstallmeister
1809Kabinettsminister unter Friedrich August I. oder dem Gerechten (1806 – 1827)
1814gestorben in Prag – Universal­erbe Peter Paul Graf Marcolini
»An den vielseitig begabten und tatkräftigen sächsischen Kulturminister erinnern in Dresden noch weitere Gebäude und Sammlungen, darunter der Zwinger, der während Marcolinis Amtszeit … restauriert ... worden ist. Das Dresdner ›Wald­schlößchen‹ gehörte einst dem Grafen Marcolini. Es war ein holzverschaltes Jagdhaus, das als schlich­tes Wohnhaus hinter der Brauerei an der Radeber­ger Straße erhalten geblieben ist.« (Wolfgang Madai)

Er war an der Anlage des Englischen Gar­tens im Pill­nitzer Schloßpark beteiligt und ließ den Land­schafts­­garten bis zur Meixmühle (»Friedrichsgrund«) fortführen sowie die »Eremitage« auf dem Bors­berg und die Ruine auf dem Pillnitzer Schloß­berg errichten. 1774 erwarb er in Hoster­witz Land und ließ dort ein Weinberghaus umbauen (späteres »Kepp­schloß«). Sein Billardhaus blieb erhalten (heute: Am Kepp­schloß 9). 1801 kaufte er das »Plantagen­gut« (heute: Laubegaster Straße) und ließ eine Allee zwischen den Besitzungen anlegen (heute: Nußallee).

Porträt Marcolini als Medaillon um 1810, unbekannt, SLUB-DFD Nr. 74976
Porträt Marcolini als Medaillon um 1810, unbekannt, SLUB-DFD Nr. 74976

Eigentümer der Meierei des Marcolinischen Vorwerkes

Plan »Marcolinis Vorwerk an der Schillerstraße« 1823 (Sächs. HStA, Schrank XI, Fach VI, Nr. 17)
Plan »Marcolinis Vorwerk an der Schillerstraße« 1823 (Sächs. HStA, Schrank XI, Fach VI, Nr. 17)
1764Landkammerrat von Posern – ab 1767 Eisen-Schmelz- und Gußwerk
1783 – 1786Neuanlage der Bautzner Straße
1787Camillo Graf Marcolini – Ausbau zur »Ökonomie vor dem Schwarzen Tore« (Meierei, Vorwerk, Versuchsplantagen, Feld- und Viehwirtschaft)
1814Peter Paul Graf Marcolini
1828Georg August Scheppach – Planung Villenensemble
1847Scheppachs Erben
1854Eduard Schumann – Verwirklichung Villenensemble
1859Adolf Wasilieff Ernst Rothermundt – 1880 Neu- und Ausbau
1931Albin Junghanns – 1936 Bauerweiterung
1938Junghanns Erben

Wiederaufbau und weitere Entwicklung

1991PLAN CAPITAL – Gesellschaft für Beteiligungsanlagen mbH in Saarbrücken
Denkmalpflegerische Sanierung und Ausbau zum Herz- und Weiterbildungszentrum sowie Gastronomie
1992Marcolinis Vorwerk GbR (mit Unternehmensgruppe Roland Ernst)
1997Roland Ernst Unternehmensgruppe
Ärztehaus, verschiedene Dienstleister und Gastronomie
2000Baden-Württembergische Bank
2005Hotel Elbschlösschen Köberl OHG
Marcolini Praxis und Restaurant